3D Drucker sind längst nicht mehr nur ein Hobby für Computerfreaks. Laut aktuellen Studien arbeiten immer mehr deutsche Unternehmen mit eigenen 3D-Druckern. Doch wie sieht das in deutschen Sanitätshäusern aus? Die Digitalisierung kommt auch hier - keine Frage. Additiv gefertigte Orthesen werden immer häufiger eingesetzt, da diese nicht nur individuell passend konstruiert, sondern auch materialsparend und effizienter herstellbar sind. Doch die meisten, vor allem kleine Sanitätshäuser, können sich teure 3D Drucker nicht leisten. Die Herstellung wird ausgelagert. Ganz anders sieht es beim Sanitätshaus OT aktiv in Greifswald aus: Hier nutzen sie alles, wie sie es im jeweiligen Fall brauchen - traditionelle Verfahren, eigene 3D-Drucker sowie Fremdfertigung.
Tradition und Innovation miteinander vereinen
Die additive Fertigung ist auch im Sanitätshaus OT aktiv ein heiß diskutiertes Thema. Geschäftsführer Frank Starkowski will nicht nur mit der Zeit gehen, sondern verspricht sich zudem eine deutliche Zeit- und damit Kostenersparnis, Reduzierung von Material- und Lageraufwänden und nicht zuletzt eine Verbesserung des Arbeitsschutzes.
Den Startschuss für die digitale Zukunft gab letztendlich Robert Raschke, Maschinenbauingenieur bei OT aktiv: Im Zuge seiner Abschlussarbeit zum Master of Engineering baute er dieses Jahr innerhalb von fünf Monaten selbst einen 3D-Drucker. „Der Bau des 3D-Druckers stellte für uns symbolisch den besten ersten Schritt zur Integration der additiven Fertigungstechnologie in unser Unternehmen dar. Wir haben uns gleich für ein Großformat entschieden, da es ja kleine Anlagen zu genüge gibt und diese auch relativ erschwinglich sind” so Raschke über die Entwicklung und Konstruktion der FDM-Anlage.
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Mit der FDM-Anlage verfolgt OT aktiv das Ziel, größere orthopädische Hilfsmittel, wie z.B. Unterschenkel-Fußorthesen oder Rumpforthesen, selbst zu fertigen. Dabei ist ihnen bewusst, dass sich das FDM/FFF-Verfahren aufgrund der mechanischen Eigenschaften optimal für Zweckformen, aber nur bedingt für das Fertigen von Endprodukten eignet. „Wir sehen diesen 3D-Drucker hauptsächlich im Prototypenbau, das Fertigen von Probeorthesen zur Passkontrolle, aber auch als unterstützendes Verfahren für das traditionelle Handwerk”, so Raschke. Darunter stelle er sich das Drucken von digital korrigierten und modellierten Zweckformen als Hohlform vor, welche im weiteren Prozess als Positiv ausgeschäumt und traditionell weiter bearbeitet werden können. „So können wir die Zahl der Gipsabdrücke minimieren, was für den Patienten aber auch für den Mitarbeiter wesentlich angenehmer ist”, bekräftigt Raschke das Vorhaben. Zudem entfällt das zeitaufwändige Modellieren am Gips, ganz zu schweigen von der körperlichen Belastung mit großen, schweren Gipsmodellen zu hantieren. Aber auch der Kostenfaktor ist erheblich. Der FDM-Druck ist für die Fertigung von Zweckformen die einfachste und kostengünstigste Variante.
Additive Fertigung schafft Freiräume
Einen weiteren Vorteil sieht Raschke darin, den digitalen Gipsabdruck in seiner Datenbank immer wieder greifbar zu haben. Sowohl die Bearbeitung der digitalen Modelle als auch der 3D-Druck lassen sich jederzeit, parallel und unabhängig voneinander bewerkstelligen. So läuft die FDM-Anlage in Greifswald Tag und Nacht: Etwa 24 Stunden dauert der Druck eines Prototypen, also einer individuellen Orthesenschale. Sind die Mitarbeiter mit der jeweiligen Testorthese zufrieden, erfolgt der finale Druck - vor allem bei funktionellen, also stärker belasteten Orthesen - im industriellen 3D-Druck über einen externen Dienstleister. Hier empfiehlt unser Druckexperte Jannis Breuninger eine Herstellung mittels Selektivem Lasersintern (SLS) oder Multi Jet Fusion (MJF). Beide Verfahren können Polyamid 11 und 12 verarbeiten, welches sich für Orthesen sehr gut eignet. Der letzte Feinschliff der Orthese passiert manuell: Verschlüsse und Polsterungen werden angebracht, bevor die Anpassung am Patienten stattfindet. Eines der wesentlichen Vorteile ist, dass die additive Fertigung Freiräume für weitere Aufgaben schafft, da der Druckvorgang lediglich nur noch überwacht werden muss.
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Gespannt der Zukunft entgegenblicken
„Man muss als Arbeitgeber mit der Zeit gehen, um junge Menschen zu begeistern“, stimmt Kollege Philipp Greifenberg zu, der seit sieben Jahren bei OT aktiv als Orthopädietechniker arbeitet. Das Sanitätshaus hat bereits Prozesse innerhalb der Schuhtechnik digitalisiert, 2D und 3D Scanner sowie CNC Einlagenfräsen implementiert („Werkstatt 4.0“). Mit dem neuen FDM-Drucker geht das Unternehmen einen weiteren Schritt in die Zukunft. Denn auch für zukünftige Orthopädietechniker*innen sind die Kombination von Tradition und Innovation ausschlaggebende Gründe, sich bei Sanitätshäusern wie OT aktiv zu bewerben. Der angehende Meister Philipp Greifenberg freut sich mit Hilfe digitaler Fertigungsmöglichkeiten in Zukunft innovative Versorgungen zu entwickeln. Auch der schrittweisen Digitalisierung der traditionellen Handwerkskunst blickt er gespannt entgegen: „Wenn man sich bewusst wird, dass traditionelle Werkzeuge letztendlich einfach nur digital abgebildet werden, erleichtert einem das kopfmäßig die Barriere zu durchbrechen und sich darauf einzulassen“, so Greifenberg über die Orthesen-Herstellung am Computer.
Abschließend fasst Robert Raschke treffend zusammen: „Durch die Integration der additiven Fertigungstechnologie ergeben sich eine Reihe von neuen Möglichkeiten zur Lösung alter Probleme, die sich mit der additiven Fertigung verknüpfen lassen. Erst mit diesem Schritt wurden die ungeahnten Möglichkeiten immer ersichtlicher.” Er freut sich über die stetig wachsende Begeisterung und Kreativität der Fachkollegen für neue Einsatzbereiche und tüftelt vermutlich schon am nächsten Projekt… Doch eines ist schon jetzt klar: Als nächster Schritt wird der neue Drucker repräsentativ platziert, damit auch die Kunden gleich sehen: hier geht man neue Wege.
So sieht die Herstellung einer Testorthese im Zeitraffer aus. Originalzeit: 27 Stunden
Es muss ja nicht gleich der selbstgebaute Drucker sein...
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